Auf dem Land und Seeweg nach Georgien

September 2018:

Von Berlin nach Kutaisi sind es gerade mal vier Stunden mit dem Flieger. So bin ich auch zurückgekommen. Für die Hinfahrt habe ich allerdings einen längeren Weg gewählt, denn: der Weg ist das Ziel

Ganz früh morgens los ging los: um 04:00 morgens ab dem Regionalbahnhof Schönefeld Flughafen, über Cottbus, Görlitz, Wroclaw nach Przemysl, wo ich mit geringer Verspätung ankam, so dass ich den Kurswagen nach Odessa ohne Probleme erreichte. Die Nacht war lustig, mit zwei Ukrainern auf dem Heimweg von der polnischen Baustelle in die Oblast Kherson. In Odessa angekommen, erst mal direkt ins Hostel, am Rand des historischen Zentrums, in unmittelbarer Nähe des großartigen Novyi Bazar mit seinen historischen Markthallen. Nettes Zusammensitzen abends im Hof, am nächsten Vormittag dann mit der Marshrutka zum Hafen von Chornomorsk.

Einchecken, dann per Bustransfer ins Hafengelände, wo sich schon eine Gruppe von etwa 15 Backpackern versammelt hatte. Deutsche, Holländer, Engländer, Schweizer, Amerikaner, Dänen, ein Weißrusse mit Fahrrad, ein ukrainisches Pärchen. Der Rest waren Truckfahrer, denn das ist der eigentliche Sinn dieses Schiffes, das ca. 2x pro Woche fährt und in 48h das Schwarze Meer überquert. Dabei handelt es sich um alte Ostseefähren, in den 80er Jahren in Rostock gebaut um den unzuverlässig gewordenen Bruderstaat Polen auf dem Weg in die Sowjetunion (Klaipeda) umgehen zu können. Die Schiffe tragen daher die Namen Greifswald und Kaunas. Eine großartige, geräumige Kabine ist im Preis mit inbegriffen, wie auch drei tägliche Mahlzeiten. Etwa 120 € sind für die Überfahrt zu rechnen. Das Animationsprogramm beschränkt sich im Wesentlichen auf einen Fernseher in der Bar, ansonsten sitzt man an Deck und genießt den Blick auf die Südküste der russisch besetzten Halbinsel Krim. Nach zwei Tagen hat man mit jedem der Backpacker mal gesprochen – eine regelrechte kleine Familie ist entstanden.

Batumi überrascht durch eine neugebaute Las Vegas-ähnliche Hochhauskulisse, aber es gibt auch paar historische Straßenzüge im Zentrum und einen wirklich tollen Kiesstrand. Am übernächsten Vormittag, besteige ich nach einem Kaffee im Antlitz von Josef Stalin am örtlichen Busbahnhof den Minibus in die Berge. Das Gepäck wird auf dem Dach verstaut und los gehts in atemberaubender Fahrt nach Swanetien, wo im Ort Mestia in der letzten 10 Jahren buchstäblich ein neuer Touristenhotspot entstanden ist. Ein neues Ortszentrum im schweizer Chaletstil, unzählige Pensionen und Restaurants und ein regionaler Flughafen in der gar nicht mehr so einsamen Bergwelt. Swanetien ist bekannt für seine unzähligen Wehrtürme, die über die Dörfer verstreut sind. Im Norden bildet der Berg Uzhba die Grenze zu Russland. Den Viertagesfernwanderweg von Mestia nach Ushguli nehme ich mir für die nächste Reise vor. Schon jetzt sehe ich: die meisten Touristen, allesamt Backpacker kommen aus Deutschland und Israel.

Vom nächstgelegenen Bahnhof Sugdidi fährt ein Nachtzug nach Tbilisi, normale 4er Kupes, wie man sie aus den postsowjetischen Ländern kennt. Der Bahnhof von Tbilisi ist ein Musterbeispiel für den sowjetischen Brutalismus der siebziger Jahre, mittlerweile schon wieder deutlich in die Jahre gekommen. Ich entscheide mich dafür, den Weg ins Zentrum zu Fuß zu laufen, was einige Zeit dauert. Auf dem Weg zeigt sich: vieles wurde bereits saniert, aber mindest genauso viel ist noch zu tun. Die Alstadt von Tbilisi unterhalb der Burg besteht aus tollen Holzhäusern mit geschnitzten Balkonen und unzähligen Kirchen. Mehrere schwefelhaltige Thermalquelen haben ein ein regelrechtes Bäderviertel entstehen lassen, unter massiven gemauerten Kuppeln gibt es öffentliche, aber auch stundenweise zu mietende Privatbäder. Einen Tag nutze ich für einen offiziellen Busausflug nach Signaghi ins Weinanbaugebiet Kachetien, nahe der Aserischen Grenze.

Weiter geht es in den hohen Kaukasus, nach Stepantsminda (ehem. Kazbegi) am Fuß des Kazbek, mit 5054 m der am einfachste zu besteigende 5000er. Ob ich noch fit genug bin, um ganz hoch zu steigen, ist zu bezweifeln, aber das nächste Mal werde ich sicher bis zur Übernachtungshütte in 3600m vordringen. Und dort mal weiter sehen. Ich teile mir ein Mehrbettzimmer mit drei Israelis. Am folgenden Tag geht es bis auf 3000m, wo am Fuß des Gletschers soeben eine moderne, wenn auch teure Hütte fertig geworden ist. Nach einem Kaffee dort oben geht es wieder runter, wo ich noch kurz die mittelalterliche Kirche oberhalb des Ortes ansteuere. Tags drauf miete ich mir ein Fahrrad und fahre zunächst das Tal runter bis an die russische Grenze und dann nochmal 10 km in die andere Richtung.

Mit Umstieg in Tbilisi erreiche ich Borjomi den Herkunftsort des weltberühmten Mineralwassers. Borjomi war so etwas wie das Karlsbad des Zarenreiches, aber wenn man das echte Karlsbad kennt, kann man nur enttäuscht sein. Ein mäßig spektakulärer Kurpark mit zwei Quellen, einige Villen und ein heruntergekommenes Zentrum. Immerhin gibt es etwa 5 km vom Kurpark talaufwärts ein Thermalfreibad. Von Borjomi aus kann man wunderbare Ausflüge in Richtung türkische Grenze unternehmen: zum Felsenkloster Vardzia und zu der – deutlich sichtbar frisch rekonstruierten – etwas kitschig wirkenden Burganlage von Akhaltsiche. Eine elektrifizierte Schmalspurbahn führt von Borjomi aus in 2,5 Stunden in die Berge nach Bakuriani. Die Runterfahrt mit der Marshrutka dauert 20 min.

Die letzte Station steht an: Kutaisi, eine schöne Unistadt, mit ca. 150000 Einwohnern eine der größeren im Land. Hier übernachte ich in einem Hostel, dessen Aufenthaltsraum ansonsten eher dem Schnapsbrennen und Weinkeltern dient. Ein gemütlicher Tag noch – einen Ausflug in das umliegende Karstgebirge mit der Bergbaustadt Chiatura, die vor allem durch ihre zahlreichen, klapprigen Seilbahnen bekannt ist, spare ich mir auf die nächste Reise. Von Kutaisi fliege ich zurück. Es war sicher nicht die letzte Reise nach Georgien.

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