Der Long Distance Train: City of New Orleans fährt 3x wöchentlich von Chicago nach New Orleans und braucht für die 1500 km rund 20 Stunden. Im Gegensatz zu den bisherigen Zügen verfügt dieser Zug über ein Domecar, also eine Lounge mit Glaskuppel über dem eigentlichen Dach des Zuges. Leider hatte ich nicht allzuviel davon, da ich nur nachts unterwegs war: gegen 06:00 früh ereichte der Zug Memphis, noch im Morgengrauen. Hier holte mich mein Kumpfel Lukas ab, der von Berlin nach Atlanta geflogen war und sich dort ein Auto gemietet hatte. Wir erreichten das erste von vielen schlechten aber billigen Motels, geführt zumeist von Indern und mit barbarisch schlechtem Frühstück.
Memphis ist vor allem als die Stadt des Blues bekannt, nicht ohne Grund befindet sich hier auch die Villa Graceland, der Wohnsitz von Elvis Presley. Ansonsten gibt es die Blues-Meile Beale Street, in der sich ein Blues Club an den anderen reiht.
Die Innenstadt ist vergleichsweise nett geblieben, viel Bausubstanz aus dem späten 19. Jahrhundert auf einer Anhöhe des Missisippi, nette Cafés und eine historische Straßenbahn. Besonders angetan hatte es uns das „Center of Southern Folklore“ mit Café und CD-Laden.
Ansonsten ist Memphis unverkennbar im Redneck-Land gelegen. Die Benutzung einer Fußgängerampel muss erklärt werden, in der Bealestreet wird explizit darauf hingewiesen, dass Schusswaffen verboten sind. Wo zuletzt habe ich solche Schilder zuletzt in Berlin gesehen? Oder in Kyiv?
Spannend ist das Missisippi Museum und im einstigen Motel Lorraine erinnert ein höchst sehenswertes Museum an die Ermordung von Martin Luther King im Jahre 1968.
Von Memphis aus ging es mit dem Auto ins Nirgendwo von Arkansas. Das Rätsel der Automatikschaltung musste gelöste werden (Vor dem Schalten, die Bremse betätigen!) und an einer belebten Kreuzung, an der ich beinahe einen Unfall gebaut hätte, fanden wir uns wenige Minuten später in einer Polizeikontrolle bei gezogener Knarre wieder. Mein Rucksack mit vielen dreckigen Unterhosen erschien dann aber doch unverdächtig genug und die Nummer: silly tourist from Germany funktioniert doch immer ganz gut.
Wir passierten Ulm (das dortige Münster hatte ich eigentlich größer in Erinnerung) und kamen nach Stuttgart, wo Lukas den verblüfften Kassiererinnen im dortigen Diner auf dem Smartphone erklärte, dass es noch ein weiteres Stuttgart gibt („I´m from Stuttgart as well…“). Das kleine Städchen von 10000 Einwohnern wurde in der Tat von einem Adam Bürkle aus Filderstadt gegen Ende des 19. Jh. gegründet und der Name Buerkle ist dort bis heute allenthalben zu finden. Es gibt eine Mainstreet mit Brickhouses, ein Rathaus, eine ev. lutherische Kirche. Durchaus ganz nett, aber letztlich liegt hier der Hund begraben
Das Ziel der nächsten Tage war Hot Springs; der Name ist selbsterklärend. Jede Menge heiße Quellen innerhalb einer Mittelgebirgsregion, schöne Wanderwege, tolle Bäderarchitektur, einige Thermalbäder und historische Hotels. Wir entdecken einen Hintereingang ins Arlington Hotel und dessen Freiluft-Thermalbecken. Auch die eine oder andere nette Kneipe, hier in der Heimat von Bill Clinton zeigt das sonst doch recht öde Arkansas von einer anderen Seite.
Tags drauf ging es durch die Missisippiebene, vorbei an endlosen Baumwollfeldern nach Vicksburg, eine Kleinstadt mit einiger Südstaatenarchitektur, die im Bürgerkrieg ein wichtige Rolle gespielt hatte. Hier übernachteten wir das nächste Mal. Über Port Gibson, eine völlig unbekannte, aber ausgesprochen nette Kleinstadt, erreichten wir Natchez, eine weitere, dieses Mal recht touristische Stadt am Hochufer des Missisippi. Anhand der vorhandenen Bausubstanz und der alte Villen lässt sich der einstige Reichtum der Stadt noch gut erahnen. Von dort aus mit Stopp in Plaquemines und einem Abstecher ins Sumpfland erreichten wir unser Etappenziel New Orleans
Nicht umsonst gilt New Orleans als eine der schönsten Städte der USA. Die Altstadt mit ihren Balkonen und Holzveranden blieb lückenlos erhalten, die Hochhäuser sind woanders. Aus jeder zweiten Kneipe dringt Live-Musik, der Hauptouristenrummel spielt sich in der Bourbonstreet ab, netter und alternativer ist es in der Frenchmanstreet.
Das wirklich tolle India Hostel war an dem Tag ausgebucht, so buchten wir uns ein Anderes, dank schlechter Bewertungen glücklicherweise nur für eine Nacht. Gelegen in einem Getto (Tremé), voller Ungeziefer und Bettwanzen: alle unsere Erwartungen wurden um ein Vielfaches unterboten. Dafür war tags darauf das India Hostel frei, neben dem Hostel in Montréal und einem weiteren in Lissabon unter meinen Top 10 Hostels. Dort verbringen wir einen Vormittag am Laptop. Noch nie hatte ich die ZDF-Wahlsendung der Bundestagswahl schon um 12:00 Uhr Mittags gesehen. Jedenfalls freute ich mich wie ein Schneekönig über die 4,9% sowohl für die FDP, wie auch die AfD.
In New Orleans (oder einfach auch NOLA) gibt es eine Ökobewegung, u.a. gegen ein Pipelineprojekt durch die Sümpfe, die leider im erzkonservativen Lousiana wenig ausrichten können. An dem Marsch durch die Stadt beteiligten wir uns. Danach war eine der klassischen Swamptouren angesagt, die wirklich lohnend war. Abends dann zunächst in einen CajunClub und dann nochmal in die Frenchmanstreet. Wirklich ganz großartig!