Frankreich August 2019

Hier nun eine echte Klangreise, wie sie auch dem Namen dieses Blogs am ehesten entspricht. Mit Drehleier und Bandoneon im Gepäck führte mich diese Reise zunächst nach Lille, danach über Rennes auf die Belle Ile en Mer – die schöne Insel im Meer, vor der Südküste des Morbihan in der Bretagne. Hier verbrachte ich mehr als eine Woche, bevor es weiter ging ins Morvan, eine Mittelgebirgsregion in Burgund, wo ich zum wiederholten Mal das Drehleierfestival von Anost besuchte. Den Abschluss der Tour bildeten einige Tage in der Auvergne, bevor ich über Genf und die Schweiz wieder zurückfuhr.

Doch der Reihe nach: über Köln und Brüssel erreichte ich nach einem kurzen Stopp in Tournai, einer sehenswerten mittelgroßen Stadt in der belgischen Wallonie die Stadt Lille. Eigentlich als Industriestadt verschrien, gibt es hier eine wunderbare Altstadt mit regem Kultur- und Studentenleben und einem schönen Hostel am Rand der Altstadt. Obwohl Lille immer französischsprachig war, erinnert im Stadtbild viel an flämische Städte. Hier also einige Bilder von Tournai und Lille.

Von Lille aus gibt es einige direkte TGVs ohne Umstieg in Paris nach Rennes. Rennes ist die Hauptstadt der Bretagne. Die Altstadt besteht teilweise aus großzügigen Barockplätzen, teilweise aus ungemein urigen Fachwerkgassen. Eigentlich wollte ich zu einer Irish Session, aber die Kneipe, bei der ich vor einigen Jahren schon einmal war, gibt es nicht mehr und somit die Session an diesem Ort ebenfalls nicht mehr. Etwas außerhalb der Altstadt, direkt an einem Kanal, gibt es eine eine schöne, höchst empfehlenswerte Jugendherberge.

In Rennes blieb ich nur eine Nacht, danach ging es weiter auf die Belle Ile: mit dem TGV über Auray nach Quiberon und von dort mit dem Schiff auf die Insel, etwa 45 min. Überfahrt. Am Hafen von Le Palais angekommen, fällt man buchstäblich in mehrere Fahrradverleihe hinein und so war die Mobilität für die kommende Woche gesichert. Mein erstes Quartier war die Jugendherberge, etwas oberhalb des Ortes, ein wenig anheimelnder Flachbau mit großem Außengelände. Der Hauptort, Le Palais ist zwar nicht groß, bietet aber einiges: ein alter Fischerhafen und eine kleine Altstadt, überragt von einer Vaubanfestung.

Von hier aus konnte ich die Insel erkunden: sie ist etwa 25 km lang und 8 km breit. Insgesamt 4 Dörfer und viele kleine Weiler und vor allem im Süden eine großartige Steilküste mit Sandbuchten. Besonders schön ist der Ort Sauzon im Nordwesten der Insel. Während Le Palais doch sehr französisch wirkt, spürt man in Sauzon den keltischen Einfluss. Und siehe da: hier gab es eine bretonische Session, bei ich sogar zweimal war.

Doch nicht nur selber Musizieren gehörte zu dieser Klangreise: auch den Besuch eines Festivals wollte ich mir nicht nehmen lassen. Das zweitägige Festival „Belle Ile on Air“ ist überregional bekannt und die Stadt war voll! Mit Hip Hop, Afrobeat, Acid Jazz und diversen DJs nicht unbedingt mein Stil, aber ich habe es nicht bereut. Mit zwei Bühnen zwischen den alten Festungsmauern herrschte eine tolle, entspannte Atmosphäre. Erinnerungen an das Open Ohr in Mainz wurden unweigerlich wach.

Festival Belle Ile on Air

Nahe der Südwestküste findet immer Sonntags eine bretonisch-französische Session statt. Die Atmosphäre ist freundlich und herzlich und man lädt mich zur oben erwähnten Session nach Sauzon, wenige Tage später ein (das erste mal war ich dort ohne meine Instrumente)

Vom Ort der Session ist es nicht weit bis an die Südwestküste, die hier hier besonders spektakulär ist. Am folgenden Tag wechselte ich das Quartier und verbrachte noch einige Tage in einem Gîte d’Etappe, östlich von Le Palais. Dort in der Nähe gibt es auch eine kleine Craftbierbrauerei mit Führungen. Der Strand ist nur wenige Meter davon entfernt.

Nun fehlt noch der Osten der Insel, rund um das Dorf Locmaria, mit der ältesten Kirche der Insel.

Nach 10 Tagen auf der Insel hieß es Abschied nehmen und es war der einzige Tag mit schlechtem Wetter. Ziel des Tages war Vannes, wo ich auf dem ausgezeichneten Campingplatz der Stadt unterkam. Leider recht weit vom Zentrum weg, aber auch hier gab es einen Fahrradverleih. In Vannes mit seiner wunderbaren Fachwerkaltstadt, umgeben von mächten mächtigen Stadtmauern, erwartete mich das nächste Festival, dieses Mal ein Fest-Noz, ein bretonisches Tanzfest. Vier Bands spielten, die Entdeckung des Abends war das Duo Talec-Noguet, Gesang und Akkordeon, gefolgt vom Bagad de Vannes.

Mit kurzem Stop in Paris ging es nun weiter in die Mitte Frankreichs, über Nevers bis Etang sur Arroux, von wo aus ich die letzten 60 km bis zum Festival von Anost trampen musste, was anstandlos funktionierte. In Anost findet Mitte August seit über dreißig Jahren die Fête de la Vielle statt, ein wunderbar familiäres Fest, das international noch nicht so bekannt ist. Übernachtet wird auf dem örtlichen Zeltplatz, der praktischerweise über einen Badesee verfügt. Überall im Dorf und in den drei Kneipen sitzen die Musiker zusammen, es wird gespielt und die Stimmung ist wunderbar. Da ich schon zum dritten Mal dort war, treffe ich einige Bekannte wieder. Hier hilft es wirklich weiter, französisch zu können. Neben den Sessions gibt es natürlich Konzerte und der Höhepunkt des Festivals ist der Festumzug, die Défilée

Von nun an spielte die Musik nur noch eine geringe Rolle, Sightseeing war angesagt. Von Anost trampte ich nach Moulins, ca. 120 km südlich und weiter mit dem Zug nach Clermont-Ferrand. Die Stadt verfügt eine kompakte Altstadt, ist aber touristisch weniger bedeutsam, bildet aber einen schönen Ausgangspunkt für Wanderungen zu den Vulkankegeln der Umgebung und wird überragt vom Puy de Dôme.

Etwa 80 km südlich von Clermont-Ferrand liegt die Kleinstadt Brioude, mit einer der sehenswertesten mittelalterlichen Kirchen der gesamten Auvergne. Ein Stopp lohnt ungemein und auch die kleine Altstadt ist einen Rundgang wert.

Von hier aus sind es nochmal etwa 60 km nach Le Puy-en-Velay, die wohl malerischste Stadt der Region. Überragt von mehreren Lavafelsen breitet sich hier eine Bilderbuchaltstadt aus, auf jedem dieser Felsen Kirchen, Klöster, Burgen. Auch hier Romanik vom Feinsten. Mehrere Fernwanderwege führen durch die Stadt, beispielsweise einer der Jakobswege und so gibt es einiges an Tourismus.

In der Umgebung der Stadt gibt es herrliche Wandergebiete, und so mache ich mich auf zur Burg Polignac, dem Rest einer kompletten ehemaligen Stadt, gelegen auf einem Lavaplateau, etwa 5 km von Le Puy entfernt. Auch ein benachbarter Lavafelsen bietet schöne Ausblicke.

Allmählich ging es nun zurück Richtung Heimat, zunächst nach Genf, in einem altertümlichen Zug durch das Rhonetal. Genf ist zwar französischsprachig, man merkt aber sofort – nicht nur der Preise wegen – nicht mehr in Frankreich zu sein. Es gibt es eine Jugendherberge, bei der eine Fahrschein für die öffentlichen Verkehrsmittel automatisch mit inbegriffen ist. Die Stadt liegt wunderschön am Genfer See, ist mondän und international, mit einer wunderschönen Altstadt.

Einmal quer durch die Schweiz, ging es entlang dem Genfer See über Bern nach Schaffhausen, wo im nahegelegenen Bietingen ein Freund eine große Geburtstagsparty schmiss. Die Party stand unter dem Motto Osteuropa, handelt es sich doch um osteuropareisende Bahnfreaks, Eric und Manja.

Über Nürnberg, wo ich endlich mal eine ukrainische Facebookfreudin, Viktoriya analog kennenlernen konnte ging es zurück nach Berlin.

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