Einige Gedanken zur Stadtenwicklung im Zusammenhang mit dem Humboldtforum

Eingefleitschte Gegner des Wiederaufbaues des Berliner Stadtschlosses und die Fans des alten Palasts der Republik werden mich jetzt hassen. Aber dennoch bitte zu Ende lesen: Die Kritik kommt im zweiten Teil.

Dieser Tage wurde nach rund siebenjähriger Bauzeit das Humboldtforum offiziell eröffnet, wenn auch auf Grund der Pandemie erst mal ohne Publikumsverkehr. Auch die Durchgänge und der Innenhof werden wohl erst ab März 2021 der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen.

Wer nun aufgrund meiner sonstigen politischen Ausrichtung einen Totalveriss erwartet, wird leider enttäuscht sein. Ich war immer ein Befürworter des Wiederaufbaus des Stadtschlosses. Die gesamte Stadtanlage von Berlin, angefangen von der Heerstraße über den Kaiserdamm, die Straße des 17. Juni und die Linden ist auf das Schloss ausgerichtet, weshalb es gut ist, dass es wieder da ist. Auch mit dem Schloss an dieser Stelle wird kein neuer deutscher Hohenzollernkaiser ums Eck geritten kommen….

Politik, Ideologie sowie Architektur und Städtebau sollten voneinander getrennt sein, um eine übermäßige Politisierung des Städtebaues zu vermeiden. Eine derartige Ideologisierung von Architektur und Städtebau erscheint mir im Übrigen extrem deutsch. Nirgends sonst sind solche emotionalen Diskussionen zu beobachten wie hier. In den USA etwa kümmert sich offenbar niemand um irgendwelchen Städtebau. Selbst inmitten der Downtowns gibt es riesige Brachflächen, die für Parkplätze genutzt werden. Eine wirkliche Stadtplanung scheint dort kaum stattzufinden: Bauen ist Privatsache, die Idee der Stadt als urbaner Lebensraum steckt dort erst in den Kinderschuhen. In der Ukraine war es selbstverständlich, einige der prachtvollsten Kirchen und Kathedralen nach der Erlangung der Unabhängigkeit wiederaufzubauen. Insbesondere die Michaelskathedrale in Kyiv ist zu einem nationalen Symbol geworden. In Polen wurden zahlreiche historische Altstädte: Warszawa, Gdansk, Wroclaw bereits unmittelbar nach dem Krieg wiederhergestellt. Zur Freude aller Europäer! Man möchte es sich nicht vorstellen wie eine Stadt Breslau heute aussehen würde, wäre Niederschlesien nach 1945 an die DDR gefallen…

Eine solche Ideologisierung wider jeden Sachverstand ist hierzulande übrigens auch in vielen anderen Bereichen festzustellen, etwa in der Verkehrspolitik. In Form regelrechter Glaubenskriege wird seit Jahren eine dringend erforderliche Verkehrswende blockiert, weshalb es auch überall hängt und nicht vorwärts geht: beim Ausbau des ÖPNVs, der Schaffung autofreier Innenstädte und der Einführung eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen. Während in Berlin leidenschaftlich über Pop-up-Radwege gestritten wird, erfolgt in Paris nahezu geräuschlos der Umbau zur Fahrradstadt. Während überall in Frankreichs Großstädten neue Straßenbahnen gebaut werden, wird in Wiesbaden die neu zu errichtende Citybahn durch eine beispiellose Lügenkampagne einer ehemals liberalen Partei, die sich längst in Richtung Rechtspopulismus verabschiedet hat und die im Zweifelsfall zu feige ist zu regieren, verhindert. Wurden einst die Grünen als fortschrittsfeindliche Ideologiepartei diffamiert, so hat heute die FDP diese Rolle inne. Seien wir also pragmatisch und zielgerichtet!

Der weinerlichen Ostalgie: „man nimmt uns unsere Identität“ im Zusammenhang mit dem Abbruch das Palastes der Republik konnte ich nie etwas abgewinnen. Seltsame Identität, wenn diese an einem kubischen Kasten mit getönten Glasscheiben hängt. Und traurig für den ehemaligen Arbeiter und Bauernstaat und seinem obersten Dachdeckermeister Erich Honnecker, wenn er seinen Bürgern so wenig zu bieten hatte, dass ausgerechnet ein Gebäude von der Qualität mittelmäßiger Stadthallen, in etwa vergleichbar mit der Rheingoldhalle Mainz oder dem Pfalzbau Ludwigshafen, identitätsbildend wurde.

Am wenigsten Verständnis habe ich für den Vorwurf der Bilderstürmerei seitens der Schlossgegner, waren es doch gerade die Vertreter jener rot lackierten Reinkarnation des preußisch-wilhelminischen Obrigkeitsstaates, die die bis dahin beispielloseste Bilderstürmerei betrieben hatten:

Sie waren es, die das nur gering zerstörte Stadtschloss im Jahre 1950 sprengen ließen. Sie waren es, die unzählige andere Kunst- und Kulturdenkmäler von unschätzbarem Wert ihrer ideologisch motivierten Zerstörungswut opferten. Genannt seien nur: die Sophienkirche in Dresden, die Universitätskirche in Leipzig, die Garnisonskirche und das Stadtschloss in Potsdam, die Petrikirche in Berlin und vor allem der im Krieg weitgehend erhalten gebliebene mittelalterliche bis barocke Fischerkiez. Er wurde erst Ende der 60er Jahre beseitigt. 6 Hochhäuser stehen heute an dieser Stelle. Wäre das alte Stadtviertel erhalten geblieben – Überlegungen gab es durchaus: Berlin hätte in diesem Bereich der Stadt ein Flair wie Gent oder Brügge. So aber präsentieren sich weite Teile der einstigen Keimzelle Berlins als innerstädtisches Ödland. Hier könnte mit der Schaffung von Wohnraum begonnen werden, anstatt die Bebauung des Tempelhofer Feldes – eines der herausragendsten Alleinstellungsmerkmale dieser Stadt – zu fordern. Der Park des Marx-Engels-Forums verfügt über keinerlei Attraktivität und Aufenthaltsqualität, der nächste wirklich schöne Park – der Monbijoupark – ist kaum weiter als 300m entfernt. Rund um den Fernsehturm herrscht nicht eine Spur von Urbanität.

Sehen wir uns also das wiedererstandene Schlossgebäude in seinem städtebaulichem Umfeld an: das östliche Ende der Linden, der Schlossplatz, der Lustgarten, die Südseite des Schlosses. Wie ich denke, alles sehr gelungen und ein echtes Highlight. Als Ironie der Geschichte gibt es das seitliche Portal des Schlosses, von dem Karl Liebknecht im Jahre 1918 versuchsweite die Räterepublik ausrief, dafür heute zweimal. Eine Rekonstruktion der Portales wurde – da historisch in Augen der SED korrekt – zum Haupteingang des Staatsratsgebäudes.

Das Innere des Humboldtforums ist weithin schmucklos, hier einige Bilder vom einem Tag der offenen Tür im Sommer 2018. Vielfach wird diese unspektakuläre Innengestaltung kritisiert, aber beispielsweise des Schloss von Karlsruhe, dessen Nutzung als Badisches Landesmuseum sich recht gut mit dem Humboldtforum vergleichen lässt, zeigt, dass das auch anderswo sehr ähnlich gehandhabt wurde.

Meine ganz große Kritik jedoch bezieht sich auf die Ostfassade des Humboldtforums. Nun bin ich der Letzte, der gegen die Kombination aus alt und neu wäre. Aber das, was hier entstanden ist, ist einfallsloseste Investorenarchitektur ohne jeden ästetischen Reiz. Oder um den FAZ-Kulturjournalisten Niklas Maak mit der Frage zu zitieren: „ein monumentales Ablauftgitter oder gelungene moderne Architektur?“. Albert Speer lässt grüßen! Selbst die Nachverdichtungen der letzten Jahre auf der Fischerinsel (unterstes Bild) wirken spannender und kreativer.

Hier ist eine ganz große Chance vertan worden. Anstatt geschwungener, aus dem barocken Schlossbau herauswachsender Glasfronten, die mit dem Fernsehturm korrespondieren, deutsche Mittelmäßigkeit. Ambitionslos, ohne Mut, ohne Ideen. Was moderne Architektur kann, möchte ich anhand von Beispielen aus dem französischsprachigen Raum belegen. Und selbst in Berlin hat man schon wesentlich Besseres hinbekommen. Hier einige Beispiele was hätte sein können, was sicher nicht nur ich mir gewünscht hätte und was mit etwas mehr Mut auch hätte realisiert werden können: Der Anbau des historischen Museums wenige Schritte vom Humboldtforum entfernt, eine Straßenbahnbrücke über den Rhein bei Straßburg, die neue Glasfront des Bahnhofes von Straßburg, hinter der die alte Gründerzeitfassade durchschimmert. Und natürlich der Bahnhof von Liège-Guillemins (Lüttich) ein Meisterwerk des spanischen Architekten Santiago Calatrava.

Somit bleiben gemischte Gefühle, die durch die derzeitige Verkehrssituation im Umfeld des Humboldtforums nicht wesentlich besser werden. Selbst an Wochenenden herrscht hier ein erheblicher Autoverkehr, obwohl die Linden als Verkehrsweg keinerlei Bedeutung haben und der gesamte Ostteil des Boulevards ausschließlich aus Kulturstätten und Museen besteht. Weder gibt es hier Geschäfte, noch wohnen hier Menschen, für die die Erreichbarkeit mit dem eigenen Auto notwendig wäre. Jede verantwortungsbewusste Stadtplanung muss hier Akzente setzen. Mit der Fertigstellung der U5 ist auch dieser Bereich der Stadt durch deb ÖPNV erschlossen. Zumindest östlich des Reiterstandbildes müssen die Linden über den Schlossplatz bis hin zur Spandauer Straße autofrei werden, um so die großartige Flaniermeile zu schaffen, wie sie in einer weltoffenen Metropole wie Berlin erwartbar wäre. Hoffen wir auf die nächsten Wahlen und auf einen klugen künftigen Senat, der die Verkehrswende auch in diesem Teil der Stadt vorantreibt.

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