(Februar/März 2017)
Diese Tour im Februar – März 2017 führte weitgehend per Bahn, Schiff und Bus einmal nach Kappadokien und zurück. Nur von Athen nach Larnaka auf Zypern musste geflogen werden. Fährverbindungen von Griechenland in die Republik Zypern gibt es keine mehr.
Mit dem Nightjet erreichte ich Chur in der Schweiz, wo die Berninabahn beginnt. Über unzählige Viadukte und Kehrtunnel führt diese Schmalspurbahn bis auf den Berninagletscher und wieder runter ins italienische Tirano. Diese Bahnstrecke zählt in der Tat zu den europäischen Superlativen für Eisenbahnromantiker. Es gibt einen reservierungspflichtigen Panoramawagen, besser jedoch sind die Standardwagen, da sich dort die Fenster öffnen lassen. Bereits in der Dämmerung erreichte ich Milano, wo ich die zwei Stunden Zeit bis zum Nachtzug nach Bari für einen Kurzbesuch des Zentrums nutzte.
Am frühen Morgen erreichte ich Bari, die Hafenstadt im Süden Italiens. Hier hatte ich einen Tag Zeit, den ich nutzte für einen Ausflug nach Matera, das mit einer Schmalspurbahn erreichbar ist. Der Schmalspurbahnhof befindet sich etwa 100 m links des eigentlichen Bahnhofes von Bari. Matera liegt am Rand einer Schlucht und besteht aus unzähligen Höhlenwohnungen. Im Sommer ein Touristenmagnet, war ich zu dieser Zeit des Jahres fast allein. Gegen Nachmittag zurück in Bari, war noch genug Zeit die Altstadt zu besuchen. Es gibt eine Burg, eine romanische Kathedrale und eine begehbare Stadtmauer. Um in den Hafen zu kommen – von hier aus ging es weiter nach Patras – wählte ich die dümmste aller verfügbaren Möglichkeiten: ich folgte die Straßenausschilderungen: etwa 5 km zu Fuß immer am Zaun entlang bis zum Eingangstor des Hafens. Dass es auch Pendelbusse gibt, erfuhr ich später. Genervt und kaputt erreichte ich die Fähre nach Griechenland, wo ich auf den Sofas im Loungebereich meinen Schlafsack auspacken konnte. Ein schlechtes Bier der Marke Alpha sorgte für nötige Bettschwere.
Nach einem wunderbaren Sonnenaufgang erreichte ich die Bucht von Patras, wo ich ein günstiges Hotel gebucht hatte. Patras liegt nett an einem ansteigenden Hang, ganz oben gibt es eine Burg. Einiges an Klassizismus ist noch da, aber auch der griechische Betonstil der 60er Jahre ist unübersehenbar. Obgleich Hafenstadt ist Patras völlig untouristisch, weshalb es auch kein Hostel gibt. Die meisten Fährpassagiere fahren von dort aus direkt weiter auf die Pelopones oder nach Athen. Einige sehr nette Kneipen gibt es, einige Gassen und Treppen. Insgesamt netter als erwartet.
Die Schmalspurbahn von Diakofto nach Kalavrita ist von einem ähnlichen Kaliber wie die Berninabahn, mit einer Länge von ca. 24 km. Zur Zeit ist es ein Inselbetrieb, da die Bahnstrecke Athen – Patras zu dieser Zeit abgebaut war. Auf Anordnung der Troika war Griechenland – namentlich von Herr Schäuble – gezwungen worden zu sparen, also wurden Investitionen in die Schieneninfrastruktur des Landes erstmal hintenan gestellt.
Teilweise durch eine felsige Schlucht, mit Steilaufstiegen, die per Zahnradbahn bewältigt werden, ist die Strecke als Wanderweg freigegeben, lediglich die Brücken sind offiziell gesperrt. Für die wenigen Züge die dort vorbeifahren, muss halt ausgewichen werden. Am Ortsrand von Kalavrita merke ich, dass ich mich zeitlich vertan hatte. Der Zug, den ich zurücknehmen wollte, kommt mir bereits einen Kilometer bevor ich den Bahnhof erreicht hatte entgegen. So ein Pech! Also stelle ich mich auf die Strecke und halte den Daumen raus. Schienentrampen, in der EU geht so etwas nur in Griechenland! Und siehe da: es klappt. Der Zug hält auf offener Strecke und ich kann einsteigen.
Von Diakofto weiter per Bus mit Umstieg in Korinth erreiche ich Nafplio, die Perle der Pelopones. Eine wunderbare Altstadt, überragt von einer Festung. Mit einem Leihfahrrad war ich wunderbar mobil. Unbedingt zum empfehlen ist es, am Ende der offiziell zu besichtigenen Festung weiter aufwärts zu gehen, dort befinden sich weitere Bastionen, die offiziell nicht zur Besichtigung freigegeben sind, aber um so tollere Fotomotive bieten. Von Nafplio aus, wo ich einmal übernachtete dann weiter mit dem Bus nach Athen.
Dieses Mal war ich nur kurz in Athen, eigentlich nur einen Nachmittag und Abend bevor ich am nächsten Vormittag weiterflog nach Larnaka auf Zypern. Es gibt überhaupt keine Fährverbindungen mehr in die Republik Zypern. In Athen hatte ich ein Hostel in einer wenig vertrauenserweckenden Seitengasse nahe des noch weniger vertrauenserweckenden Omoniaplatzes Der Rundgang beschränkte sich im Wesentlichen auf die Gegend rund um den Monasterakiplatz und die Plaka.
Von Athen sind es zwei Flugstunden nach Larnaka mit Aegean Airlines. Larnaka selbst ist mäßig sehenswert: eine mittelalterliche Kirche, eine Burg, eine Moschee, paar wenig aufregende Gassen. Obgleich griechsprachig, sieht es in der Republik Zypern ganz anders aus als in Griechenland. Den in Griechenland allgegenwärtigen Neoklassizismus sucht man auf Zypern vergeblich, denn lange Zeit war die Insel eine britische Kolonie. Nach Ende der britischen Kolonialzeit unabhängig geworden, nahm zur Zeiten der Militärdiktatur in Griechenland der griechische Nationalismus überhand, die Insel wurde geteilt, der Norden ist seitdem ein de fakto unabhängiger Staat unter dem Protektorat der Türkei, international jedoch nicht anerkannt. Ein großer Teil der türkischen Bevölkerung des Südens wurde in den Norden vertrieben, umgekehrt leben im Norden heute kaum noch Griechen. In Larnaka merkt man davon wenig. Heute ist der Ort rein griechisch geprägt. Auffällig allerdings die vielen russischen Aufschriften: auf Zypern wird im großen Stil russisches Mafiageld gewaschen.
Die Inselhauptstadt Nikosia ist zweigeteilt. Mitten durch die Altstadt führt die Grenze zwischen den beiden Inselhälften. Ein etwa 50 m breiter Streifen wurde hierfür leergeräumt. Die Häuser sind hier verlassen. Die Grenze wird von der Uno bewacht. Immerhin gibt es inzwischen wieder einen Grenzübergang innerhalb der Altstadt. Hier zunächst erstmal Bilder vom griechischen Teil der Altstadt
Hier folgen nun Bilder von der innerstädtischen Grenze auf der griechischen Seite. Einige der leerstehenden Gebäude sind offen und bieten schönen Blicke auf die grüne Linie. Immerhin wurden hier – im Gegensatz zu Berlin – die Gebäude im Grenzbereich nicht abgerissen.
Mehrfach wechselte ich die Seiten. Ein Reisepass ist nötig. Auf der anderen Seite gilt die türkische Lira als Zahlungsmittel. Theoretisch ist die Grenze für Inselbewohner aus beiden Hälften überwindbar, was aber kaum genutzt wird. Vor einigen Jahren war selbst eine Wiedervereinigung der Insel im Rahmen des Möglichen, doch leider wurde das von der griechischen Bevölkerung abgelehnt, nachdem es die Jahrzehnte zuvor die Zyperntürken waren, die jede Annäherung blockiert hatten. So wurde mit dem EU-Beitritt von Zypern das Konstrukt gewählt, dass nur der Süden der EU beitritt, aber auch Bürger des Nordens den begehrten EU-Pass erhalten können. Nur für türkische Staatsbürger ist die Grenze dicht, denn Türkei gilt dem Süden als verfeindete Besatzungsmacht. Mit dem zunehmend autoritären Regime in der Türkei bestehen derzeit kaum noch Chancen auf eine Wiedervereinigung in absehbarer Zeit. Der Norden der Altstadt wirkt deutlich ärmlicher als der Süden, aber weltoffener und europäischer als die Türkei. Der langjährige britische Einfluss ist eben noch spürbar. Überall gibt es Bier und Wein, Kopftücher sind kaum zu sehen. Toll ist die alte Karavanserei und eine zur Moschee umgebaute mittelalterliche Kirche. Skuril ist ein Park auf einer der Stadtmauerbastionen während der alte Stadtgraben gerade mal fünf Meter Luftlinie zum griechischen Teil der Stadt zählt
Nun verlasse ich endgültig den griechischen Teil der Insel und mit dem Dolmus geht es in die Nähe der Burgruine Hilarion. Der Weg zur Burg führt durch militärisches Sperrgebiet, das zwar mit dem Auto durchquert werden kann, nicht aber zu Fuß. Aber die freundlichen türkischen Soldaten organisieren mir eine Mitfahrgelegenenheit. Die Burgruine ist absolut lohnend und eine tolle Wanderung führt von dort aus runter nach Girne, der alten Hafenstadt im Norden der Insel.
Girne zählt zu den schönsten Städten der Insel. Ein alter Fischerhafen, überragt von einer Burg, kleine Gassenn, Kirchen, Moscheen. Eine Kneipe an der anderen. Einiges an Lifemusik. Alles wirklich sehr nett.
Von Girne aus gibt es mehrmals pro Woche eine Nachtfähre ins türkische Tasucu, nahe Mersin. Diese Fähre hat ein ganz anderes Kaliber als die luxuriösen griechischen Fähren: ein Aufenthaltsraum mit paar Sesseln, für paar Stunden ist ein kleiner Kiosk geöffnet. Alles recht schäbig, aber für eine Nacht geht das. Von Tasucu, das ich am frühen Morgen erreiche per Dolmus mit mehreren Umstiegen und direkten Anschlüssen nach Adana, wo ich erstmal zum Bahnhof ging, in der Hoffnung, dort meinen Rucksack deponieren zu können, leider Fehlanzeige. Danach essen gehen: die Adana Grillplatte sollte man schon mal vor Ort selber gegessen haben. Danach ins Zentrum: ein moderner Teil, weltoffen mit vielen Cafés und Kneipen und etwas versteckt und leider auch recht heruntergekommen die Altstadt. Rund um den Basar sind einige Straßenzüge renoviert. Schön ist die Grünanlage am Fluss, die dominiert wird von einer riesigen neu errichteten Moschee. Außerdem eine alte Bogenbrücke aus römischen Zeiten. Gegen Abend fuhr der Zug nach Nigde, wo ich mit Hilfe des Hostelbetreibers in Girne ein recht gutes Hotelzimmer buchen konnte.
Nigde ist eine Provinzstadt von ca. 100000 Einwohnern und der nächstgelegene Bahnhof für Ausflüge nach Kappadokien. Dort gibt es einen Burgberg und einzelne Altbauten, aber wenig Altstadt. Vieles wurde erst in den letzten Jahren abgerissen. Alles wirkt recht konservativ, die Gegend ist Hochburg der AKP. Von dort aus gegen Nachmittag per Bus nach Nevsehir und weiter in die Touristenhochburg Göreme.
Göreme ist weltberühmt für seine kegelartigen Felsen, die von altersher Felsen- und Höhlenwohnungen beherbergen. Die touristische Infrastruktur ist super, jede Menge Hotels und Hostels, die meisten davon in solchen Höhlenwohnungen. Ich leihe mir ein Mountainbike aus und radle in den Nachbarort Ortahisar und über Uchisar wieder zurück. Das Hostel selbst war ok, nur einer der Mitarbeiter war unglaublich unfreundlich, so dass ich dieses Hostel nicht empfehlen kann. Dort buchte ich – ganz gegen meine sonstigen Gewohnheiten eine Bustour in die Umgebung. Denn viele Orte sind sonst praktisch nicht erreichbar.
Die Bustour am folgenden Tag führte zunächst nach Derinkuyu, wo es eine der vielen unterirdischen Städte zu sehen gibt. Bis zu fünf Stockwerke tief, aber mit einem ausgeklügelten Belüftungssystem versehen. Eine Top-Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Die Altstadt von Derinkoyu wurde leider weitgehend abgerissen, was noch steht, fällt in sich zusammen. Denkmalschutz à la turka. Weiter ging es zum Ihlara Canyon, den wir teilweise durchwanderten. Im Canyon selbst gibt es mehrere Felsenkirchen, deren Fresken noch erhalten sind. Am Ende gab es Essen und ich nutzte die Zeit noch zur Erkundung eines weitgehend verlassenen Dorfes. Die letzte Station war das einstige Selime Felsenkloster mit zahlreichen Felskammern, Treppen, Ausblicken und einer großen unterirdischen Kirche. Nahe Uchisar verließ ich den Bus und wanderte in der Abenddämmerung auf eigene Faust nach Göreme. Nach einer lautstarken Auseinandersetzung mit dem Hostelmenschen und ohne Frühstück bestieg ich am kommenden Morgen den Bus nach Ankara.
Von Göreme bis Ankara sind es 300 Kilomer über eine karge Hochebene, vorbei an einem großen Salzsee. In Ankara hatte ich ein tolles Hostel reserviert. Leider war das Wetter nicht das Beste. Das Zentrum ist völlig uninteressant, ein bisschen Bauhaus, sonst im Grunde nichts zu sehen. Überraschend toll ist die die Alstadt, die teilweise saniert einen Berg hochführt, es es Reste einer Befestigungsanlage zu sehen gibt, innerhalb derer sich ein altes Wohnviertel befindet. Der Blick von dort ist grandios: auf der einen Seite das Zentrum, auf der anderen Seite slumartige Wohnviertel, die gerade abgerissen werden. Von Ankara aus ging es am Folgetag mit dem Hochgeschwindigeitszug nach Istanbul.
Wie schon bei meinem letzten Aufenthalt in Istanbul blieb ich auch dieses Mal im Hush Hostel in Kadiköy. Es gab also viele schöne Schiffsüberfahrten. Mag es daran gelegen haben, dass erst die touristische Vorsaison herrschte, oder waren die politischen Spannungen nach dem Putsch des Jahres 2016 dafür verantwortlich: es waren kaum Touristen in der Stadt. Dafür war wunderbares Wetter, man konnte hervorragend draußen sitzen. Überall gab frischen Fisch vom Grill, türischen Kaffee und auf der Dachterrasse des Goetheinstituts nochmal ein Bier mit tollem Blick auf das goldene Horn. Wirklich eine grandiose Stadt, wären da nicht die politischen Gegebenheiten, die immer unangenehmer werden. Vom Bahnhof Halkali fährt mittlerweile wieder ein Nachtzug nach Sofia mit luxuriösen Schlafwagen. Bustransfer ab dem alten Bahnhof Sirkeci.
Am folgenden Tag erreichte ich mit einiger Verspätung den Bahnhof Sofia. Leider war keine Zeit mehr, ein Ticket bis an die serbische Grenze zu kaufen. Aber beim Schaffner gab es alles, sogar zum halben Preis, wofür ich ihm das nicht abgestempelte Ticket am Ende der Fahrt zurück zu geben hatte. So also funktioniert die bulgarische Gehaltsaufbesserung für das dortige Eisenbahnpersonal. Durch schöne Schluchten und über Nis mit zwei Stunden Aufenthalt wurde Beograd erreicht, wo ich unmittelbar den Zug nach Budapest besteigen konnte.
Den letzten Tag meiner Tour machte ich mir nochmal besonders angenehm und erholsam: mehrere historische Kaffeehäuser wurden angesteuert und der Badetempel der Superlative: das Szecheny Fürdö erwarte mich mit warmen Wasser. Budapest ist – unabhängig von der politischen Lage – leider dreht Viktor Orban, mit freundlicher Unterstützung der bayerischen CSU immer mehr ab – ein tolles Ziel für Städtereisen. Von Budapest Keleti fuhr ich mit dem Metropolzug über Nacht nach Berlin. Die Reise war zu Ende.